LESE:
I. Allgemeines.
II. Lesepersonal.
III. Arbeit der Leser.
IV. Arbeit der Traubenträger.
I. Allgemeines: Die Lese, das Abernten der reifen Trauben im Herbst (ablesen, Ernte, ernten, Herbst, herbsten, Herbsten, Herbstet, Lese, lesen, Lesen, Leset, mosten, mösten, pflucken, pflücken, schneiden, Träubelernte, Träubelslese, Traubenernte, Traubenherbst, Traubenlese, Traubenlesen, Traubenschneiden, Weinernte, Weingartlesen, Weinlese, Weinlesen, Wimmde, wimmden, wimmen, Wimmden, Wimmen, wimmeln, Wimmeln, Wimmet, Wimmete, Wimmlet), in Unterscheidg. zu VORLESE, NACHLESE u. Spätlese (Spätherbst, Spatlese, Spät-) auch als Hauptlese (Haupternte, Hauptherbst, Hauptlesen, Hauptwimmert, Hauptwimmlet) bez., ist einer der Höhepunkte im Ablauf des Winzerjahres. Nach all den Mühen der Weinbergsarbeit wird nun der Traubenertrag (Erne, Ernte, Ertrag, Fechsung, -nung, -ing, Herbst, Tracht, Träg, Traubenernte, Weinernte, Weingartsarne, Weinherbst, Wimmet) aus den Weingärten eingeholt. Die Lese fällt, je nach Traubensorte u. klimatischen Verhältnissen variierend, im Allg. in den Zeitraum Sept. bis Okt., wobei heute die Festsetzg. des Lesebeginns i.d.R. eine einzelbetriebl. Entscheidg. ist, früher jedoch institutionellen od. kollektiven Regelungen unterlag (LESEZWANG). Im mod. Weinbau erfährt die mechanisierte Ernte mit Traubenvollerntern immer stärkere Verbreitg. Sie schafft Unabhängigkeit v. Lesepersonal u. garantiert eine schnelle Arbeitserledigg., was insbes. bei Vorhersage v. Schlechtwetterperioden wichtig ist. Im älteren Weinbau wurde ausschließl. v. Hand gelesen. Schon im Vorfeld waren Organisationsmaßnahmen zu treffen u. Arbeiten zu erledigen, um den reibungslosen Ablauf der Lese zu garantieren: Die zur Durchführg. der Lese nötigen Arbeitskräfte mussten bestellt, der LESEWAGEN gerüstet (anrichten, aufbinden, herrichten, richten, umbauen, umstellen, zusammenrichten) bzw. das Traubentransportgefäß darauf befestigt (anbinden, anbrüchen, anreiteln, anspannen, brüchen, festmachen, festreiteln, reiteln, spannen, sprenkeln, verankern, verspannen), die Trage- u. Transportgefäße für das Lesegut (GEFÄSS), die Gerätschaften zum Entrappen u. Zerquetschen der Trauben sowie die PRESSE vorbereitet werden. Ggf. war während der Lese für die Unterbringg. u. Verköstigg. der Arbeitskräfte zu sorgen (MAHLZEIT).- II. Lesepersonal: Bei der Lese hat ein Winzerbetrieb ein hohes Arbeitsaufkommen in relativ kurzer Zeit zu bewältigen, was im Weinbau älterer Prägg. mit einem gr. Bedarf an Arbeitskräften verbunden war. Das Lesepersonal rekrutierte sich aus der Winzerfamilie u. deren Verwandten- u. Bekanntenkreis, je nach Betriebsgröße mussten aber auch zusätzl. Arbeitskräfte aus der näheren od. ferneren Umgebg. beschäftigt werden. So berichtet z.B. die GWP aus Winningen (MOSEL), dass früher Bauernmädchen aus Hunsrück u. Eifel als Herbstmädchen gedungen wurden. In Straß i. Straßertal (NIEDERÖSTERREICH) kamen viele Lesekräfte aus dem Waldviertel. Verschiedentl. zog man auch Schulkinder für die Ernte heran, so etwa in Xanlar/Helenendorf (ASERBAIDSCHAN). Das bei der Lese tätige Personal setzte sich im Wesentl. zusammen aus den eigentl. Lesern, die die Trauben v. Rebstock abernteten, u. den Traubenträgern, die das Lesegut im Rückentraggefäß aus dem Weinberg trugen. Dazu kamen noch Leute, die - sofern diese Arbeiten im Weinberg durchgeführt wurden - die Trauben zerquetschten bzw. entrappten (MAISCHEBEREITUNG). Das Abernten der Trauben wurde ganz überwiegend v. weibl., das Tragen des Rückentraggefäßes ausschließl. v. männl. Kräften übernommen. Im Allg. war ein Traubenträger für 5-10 Leser zuständig, deren Tätigkeit er oft auch zu beaufsichtigen hatte. Bez. für den Traubenträger sind Austräger, Bäschoffträger, Bäschoffs-, Bottichträger, Brententrager, -träger, Bückitrager, Bückti-, -träger, Bütteler, Buttenmann, Buttentrager, -träger, Butt-, Hottenträger, Huttenmann, Huttenträger, Kiepenträger, Lageltrager, Lägelträger, Lägels-, Puttonyos, Ständleinträger, Taschian, Tragenträger, Trager, Träger, Träubeltrager, -träger, Traubentrager, -träger, Zummtrager, Zummen-. Die Leserinnen bzw. Leser heißen Helfer, Herbstbube, Herbster, Herbsterbube, Herbsterin, Herbsterleute, Herbstfrau, Herbsthelfer, Herbstjunge, Herbstleute, Herbstmädchen, Herbstmaidlein, Klauber, Klauberin, Lesefrau, Lesemädlein, Leser, Leserin, Leserleute, Leserse, Lesersemädchen, Lesmann, Mädchen, Maidlein, Moster, Möster, Mosterin, Schnitter, Tagwerker, Tage-, Tagwerkerin, Träubelsleser, Traubenleser, Traubenleserin, Traubenschneider, Weingartleser, Wimmder, Wimmer, Wimmderin, Wimmerin, Wimmerleute, Wimmler, Wimmlerin), wobei Bez. wie Herbster, Herbsterleute, Leserleute u. Lesetagwerker als Sammelbez. für das gesamte Lesepersonal gebraucht werden können.- III. Arbeit der Leser: Normalerweise wurde der Weinberg systematisch abgeerntet, d.h. die Leser bekamen Zeilen od. Zeilenbereiche zugewiesen u. arbeiteten sich in geordneter Formation durch den Weinberg hindurch. In Lansitz (POLEN) z.B. hatte eine Lesekraft dafür zu sorgen, dass der Jahn gehalten wurde, d.h. die Linie der Leser auf gleicher Höhe im Weinberg vorrückte. Das Ablösen der Trauben v. Rebstock (abbrechen, abbrocken, abdrucken, -drücken, abereißen, abfeiteln, abhauen, abknipsen, abkrachen, abmachen, abpfetzen, abpflücken, abreißen, abrupfen, abschneiden, abzwicken, brechen, herabreißen, herabschneiden, heruntermachen, hineinschneiden, losrupfen, pfetzen, pflucken, pflücken, reißen, rupfen, schneiden, wegmachen, wegschneiden, zupfen, zwicken) erfolgte durch Abschneiden mittels eines Messers od. einer Schere (GERÄT) od. durch Abbrechen mit der Hand an der Sollbruchstelle des Traubenstiels (TRAUBE). Das Abpflücken v. Hand erforderte jedoch gewisses Geschick u. war nur erfahrenen Lesern erlaubt. So berichten z.B. die GWP v. Graach (MOSEL), Weisenbach (BADEN) u. Wangen (ELSASS), dass erfahrene Winzer u. Winzerinnen durch Abpflücken schneller lesen konnten, für die normalen Lesekräfte jedoch das Abschneiden ratsam war. Lt. GWP aus Langenlonsheim (NAHE) war das Abbrechen der Trauben v. Hand bei der Sorte Riesling, Rieslinger nicht erlaubt, da durch die Erschütterg. des Stocks zu viele Beeren abfielen. Die früher angebauten Rebsorten waren lt. GWP aus Cleebourg (ELSASS) für das Abpflücken der Trauben v. Hand unempfindlicher. Auch kleinste Verluste an Lesegut versuchte man zu vermeiden. Vielfach wird berichtet, dass die Lesekräfte aufgefordert wurden, Beeren, die durch unvorsichtiges Lesen herunterfielen (abgeheien, fallen, herabfallen, herunterbrockeln), vom Boden aufzulesen (aufheben, aufklauben, auflesen, aufraffen, -reffen, piddeln, raffen, reffen I (sammeln), zusammenklauben, zusammenlesen). Dem Verzehr v. Trauben während der Lese suchte man nicht selten dadurch zu begegnen, dass die Lesekräfte zu permanentem Gesang aufgefordert wurden. Jede Lesekraft führte ein Lesegefäß (GEFÄSS) mit sich, in dem die v. Stock abgelösten Trauben gesammelt wurden. Im Ggs. zu heute hingen die Trauben bei den im älteren Weinbau weithin praktizierten niederen Erziehungsweisen in Bodennähe, sodass bei der Lese in gebückter Stellg. gearbeitet werden musste. Die hochhängenden Trauben in den Pergelanlagen Südtirols konnten hingegen in aufrechter Stellg. abgenommen werden. Hier benutzten die Leser früher eine Wimmetschüssel, Wimmschüssel, in der eine kleinere Anzahl v. Trauben abgelegt u. v. dort in das am Boden stehende Lesegefäß geschüttet werden konnte. War das Lesegefäß voll, wurde nach dem Traubenträger gerufen u. das Lesegefäß in dessen Traggefäß entleert (hineinleeren, ledigen).- IV. Arbeit der Traubenträger: Hauptaufgabe des Traubenträgers war es, die v. den Lesern geernteten Trauben in seinem Traggefäß (GEFÄSS) zu sammeln, aus dem Weinberg zu tragen (außetragen, -trägen, austragen, Bückitragen, Buttentragen, hinaustragen, tragen, trägen, vertragen) u. in das am Rande des Weinbergs auf dem Boden od. LESEWAGEN stehende Lesegutgefäß od. ggf. in die darauf stehende TRAUBENMÜHLE zu schütten (auskippen, ausleeren, eineleeren, einhinschütten, einhinwimmen, hineinkippen, hineinschütten, kippen II (umstürzen), ledigen, leeren, schütten). Wenn der Traubenträger das Rückentraggefäß zwischenzeitl. im Weinberg absetzte, stützte er es mit einem Stecken ab (absperren, ansteipern, stützen I (abstützen)), damit es nicht umkippte. Mit den ca. 45-70l fassenden Rückentraggefäßen war das Traubentragen insbes. in steileren Lagen recht anstrengend u. wurde deshalb meist besser bezahlt als die Arbeit der übr. Lesekräfte. Vielerorts war es übl., die Anzahl der aus dem Weinberg getragenen Traubenlasten zählen zu lassen, sowohl weil damit der Ertrag der Ernte abgeschätzt werden konnte als auch weil die Träger nach der Anzahl der Traglasten entlohnt wurden. Das Vermerken der Traubenlasten konnte auf versch. Weisen erfolgen: Weithin gebräuchl. war das Anzeichnen der Traubenlasten durch Kreidestriche auf dem Lesegutgefäß, z.B. in Zulp (TSCHECHIEN) auf der Boding (Bottich, Bottiche, Bottige, Botige), in Thörnich (MOSEL) auf der Bütte. Gleichfalls verbr. war das Einschneiden v. Kerben in den Stock, den der Traubenträger zum Abstützen des abgestellten Rückentraggefäßes mit sich führte, z.B. den Trägerstock in Hatzenport (MOSEL), den Lagelstecken in Schweigen (PFALZ), den Buttenstecken in Kitzeck (STEIERMARK), den Buttenbengel in Elmendingen (BADEN). Gekerbt wurde auch in den zum Zerstoßen der Trauben benutzten Traubenstößel, z.B. in Bagaciu/Bogeschdorf (RUMÄNIEN) in das Maischholz. In Rohrendorf (NIEDERÖSTERREICH) entsprach eine Kerbe 2 Traglasten (Paar). In Beckstein (BADEN) u. Elfingen (AARGAU) wurden für jede getragene Last ein Steinchen, in Seengen (AARGAU) ein Rebblattstiel auf dem Erntewagen abgelegt. Die Traubenträger pflegten das Lesegut im Traggefäß bei zu lockerer Aufschüttg. zu verdichten, indem es entweder mit den Händen niedergedrückt od. durch mehrmaliges Aufstoßen des Traggefäßes auf den Boden komprimiert wurde (abedrucken, -drücken, abhinrotteln, annackeln, anschlattern, anschütteln, anstampfen, aufschütteln, aufstoßen, -stößen, aufstumpfen, drucken, drücken, einbeuteln, eindeuhen, eindrucken, -drücken, einhinbeuteln, einschockeln, einstampfen, einstoßen, -stößen, festbeuteln, hineinbeuteln, hineindrucken, -drücken, hoppeln, hosseln, hotzeln, hützen, juckeln, keilen, klopfen, mosteln, mösteln, mostern, möstern, niederbeuteln, plotschen, plotzen II (stoßen), plumpsen, rieseln, rotteln, rütteln, sackeln, sacken, schütteln, stämpfeln, stampfen, sticken, stoßen, stößen, stotzen, stumpfen, stupfen, stutzeln, wackeln, zusammenbeuteln, zusammenmosteln, zusammenstoßen, -stößen). In Kitzeck (STEIERMARK) musste der Träger bis zum Mittag mind. 25 Butten getragen haben, um Essen u. Mindestlohn zu erhalten; blieb er darunter, wurde er heimgeschickt; Traglasten über 25 wurden extra entlohnt. Mitunter wurden die geernteten Trauben aus dem Weinberg direkt zur PRESSE getragen (heimtragen), so etwa in Harsberg (WÜRTTEMBERG), wo die Träger auf halber Wegstrecke ihr Traggefäß auf dem Erdenstuhl absetzen u. kurz rasten konnten. In den Sprachinselgebieten wurde das Lesegut manchenorts nicht mit Rückentraggefäßen, sondern mit ca. 20-30kg fassenden zweihenkeligen Körben (GEFÄSS) aus dem Weinberg getragen, etwa in Gârbova/Urwegen, Teremia Mare/Marienfeld (RUMÄNIEN), Katharinenfeld (GEORGIEN) u. Novì Bìljari/Annental (UKRAINE).-Lit.: Arthold 1950, 30ff.; Babo/Mach 1885/93, 872ff.; Bauer M. 1954, 63ff.; BrockhWein 2005, 159f.; Egli 1982, 204ff.; Hilpert 1957, 62f.; Höfflin 1983, 95ff.; Honold 1941, 132ff.; Kadel 1928, 17f.; Kiefer 1978, 95f.; LadParth. 1972, 156ff.; Mayr C. 2001, 46ff.; Müller K. 1930, 471; Regner 1876, 342ff.; Robinson 2003, 420ff.; Scheu 1950, 363ff.; Schumann 1998, 137f.; Sebestyén 1978, 133; Seppälä 2001, 185ff.; Weber W. 1949, 129ff.; WKW 85/436ff. 86/441ff.- R.P.
Lese der Trauben von Hand
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Lese der Trauben
Lese der Trauben

Lese der Trauben
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