LESEZWANG: Während heute die Festsetzg. des optimalen Lesezeitpunktes i.d.R. eine einzelbetriebl. Entscheidg. ist, war im älteren Weinbau die Bestimmg. des Lesebeginns nicht dem einz. Winzer überlassen, sondern es wurde für die ges. Weinbaugemeinde od. für best. Weinbergsbezirke ein allg. verbindl. Termin festgesetzt. Die Wurzeln dieses Lesezwangs reichen zurück ins Mittelalter, als die Grundherren das Recht des Lesebeginns (Herbstanfang, Herbstbeginn) für sich beanspruchten, um auf diese Weise die Abgaben besser kontrollieren zu können, u. der verschiedentl. übl. Kelterzwang eine Abstimmg. des Lesetermins erforderte. Im Laufe der Zeit ging die Berechtigg. der Lesefestsetzg. über auf Gemeinden, Behörden, Winzergenossenschaften u. Weinbauvereine bzw. auf Gremien solcher Körperschaften (Bergamt, Bezirksregierung, Gemeinde, Gemeinderat, Gemeinds-, Gemeine, Gemeinerat, Genossenschaft, Genossenschaftssyndikat, Gülesch, Herbstausschuss, Herbstgemeinde, Herbstgemeine, Herbstkommission, Herbstversammlung, -ing, Kommission, Kulturkommission, Leseausschuss, Lesebannkonferenz, Leskommission, Lese-, Rebbaugenossenschaft, Rebbaukommission, Rebhütergemeinde, Rebkommission, Rebversammling, Syndikat, Verein, Versammlung, -ing, Weinbausyndikat, Weinbauverband, Weinbauverein, Weinbergskommission, Weingärtnerverein, Wimmlergemeinde, Winzergenossenschaft, Winzerversammlung, Zivilvorsteherschaft). Diese waren auch für die Erteilg. v. Ausnahmegenehmigungen zuständig, etwa wenn eine VORLESE beabsichtigt war, od. für die Festsetzg. der Tage, an denen die geschlossenen Weinberge zur Erledigg. notwendiger Arbeiten betreten werden durften (Erlaubttag, Rebtag, Weingartstag). Als Pers., die bei der Entscheidungsfindg. des Lesetermins eine bes. Rolle spielten, werden genannt: Bergrichter, Bürgermeister, Gemeindeammann, Richter, Weinbergrichter u. Winzerobmann. Der festgesetzte Lesetermin wurde bekannt gemacht durch Zeitungsanzeigen, öffentl. Aushänge (anschlagen, aushängen) od. dadurch, dass Gemeindediener, Flur- od. Weinbergschützen (Bannwart, Bote, Büttel I (Gemeindediener), Förster, Gassenhüter, Gebietburger, Gemeindediener, Gemeinediener, Ortsbüttel, Ortsdiener, Polizeidiener, Schütz, Trommler, Trummer, Viertelrichter, Wachter, Wächter, Weibel, Weinbergschütz) mit einer Trommel od. Schelle durch den Ort zogen u. den Termin ausriefen (ausmelden, ausrufen, -rüfen, austrommeln, ausschellen, bekanntmachen, herumschellen, schellen, trommeln, Trommelschlag, trummen I (trommeln), umesagen, verkünden). In vielen Weinbauorten war es übl., den Beginn der Lese am 1. Lesetag durch Läuten der Glocken anzuzeigen (Glockengeläut, Glockenläuten, läuten, sturmen, stürmen); in Walheim (WÜRTTEMBERG) wurde dagegen die Lese v. den Weinbergschützen gegen 3 Uhr nachts eine Stunde lang "angeschossen"; in Guntramsdorf (NIEDERÖSTERREICH) wurde "das Gebirge aufgeschossen", d.h. die Öffng. der Weinberge zur Lese mit Böllerschüssen angezeigt (aufschießen). Vielerorts wurden nicht nur am 1. Tag der Lese, sondern während der ganzen Lesezeit die Glocken geläutet, u. zwar sowohl zum morgendl. Lesebeginn als auch abends zum Abschluss des Lesens. Neben Bez. wie ausläuten, dareinläuten, einläuten, heimläuten, hinausläuten gebrauchte man hierfür Wendungen wie "Es läutet in den / aus dem Berg", "Es läutet in / aus dem Herbst", "Es läutet in die / aus den Reben" (läuten). Manche GWP wissen zu berichten, dass früher die Lese bei einsetzendem Regen unterbrochen werden musste, so in Ingelfingen (WÜRTTEMBERG) u. Piesport (MOSEL). Mit dieser Maßnahme sollte verhindert werden, dass derjenige, der bei Regen las, seine Winzerkollegen durch das regenfeuchte, schwerere Lesegut übervorteilte, denn damals berechnete die Winzergenossenschaft den Ertrag noch nach Kilo u. nicht nach Mostgewicht.-Lit.: Bassermann-J. 1975, 1, 560ff.; Bauer M. 1954, 65f.; Müller K. 1930, 332; Scheu 1936, 244; Schumann 1998, 137f.; Seppälä 2001, 180ff.; Weber W. 1949, 127.- R.P.

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