WINZERSPRACHE:
I. Allgemeines.
II. Wortbildung.
III. Lehnwort.
IV. Bildlichkeit.
V. Eigennamen.
I. Allgemeines: Die dt. Winzersprache, ein Teilbereich der dt. Fachsprache, zeichnet sich vor allem durch Mündlichkeit, Dialektgebundenheit u. Bildlichkeit aus. Die Winzer übernahmen viele Wörter aus dem Allgemeinwortschatz, vor allem aus den Basisdialekten, aber auch aus den sie überdachenden bzw. aus fremden Sprachen. In neuerer Zeit lehnt sich die urspr. dial. geprägte Fachspr. der Winzer zunehmend an die Spr. der Weinbauschulen an. Das WDW behandelt die dt. Winzerspr. aus über 20 Staaten, vor allem auch aus den außerdt. Sprachinseln in Südost- u. Osteuropa, z.B. aus ASERBAIDSCHAN, GEORGIEN, RUMÄNIEN, UNGARN, RUSSLAND u. der UKRAINE. Zur Definition v. "Sprachinsel", zu Methoden ihrer Erforschg. u. zur Besiedlg. s. z.B. Bergmann u.a. 2010; Berend 2006; Berend/Knipf-Komlósi 2006; Berend/Mattheier 1994; Schmidt H. 2004; Wiesinger P. 1983b; Wild 2008. Unter Weinansprache, ein Bereich, der hier wegen der Umfangsbeschränkg. größtenteils ausgeklammert bleiben muss, versteht man "die sprachliche Hervorhebung aller Dinge, die mit der Weinqualität und der Besonderheit des Weines als Getränk im unmittelbaren Zusammenhang stehen." (Jakob L. [1973], 22), s. hierzu z.B. Althaus 2006; Breitschädel 1986; Flüeler 1980, 295; Gollmick u.a. 1980, 330ff.; Hofmann 1980; Jakob L. [1973]; Kübler 1980; Kurz 1988. 1991; Schwarzkogler/Vetter 1990; Troost 1980; Troost/Wanner 1951; Weisensee 1984.- II. Wortbildung: Wegen der starken Bindg. an die Dialekte herrschen in manchen Weinbauregionen Dim. vor, die aber zum gr. Teil schon ihre dim. Bed. verloren haben; auch doppelte Diminutiv-Bildungen, z.B. Drähtelchen, Steinkrügelchen usw. sind vertreten (s. zu den Dim. z.B. Koch 2008; Wild 2008). Die Lemmatisierg. wird dadurch erschwert, dass Dim. auf -el nicht immer eindeutig v. and. Bildungen mit l-haltiger Endg., vor allem v. den Instrumentalbildungen mit den ahd. Suff. -il, -al, -ul, -el bzw. -ila, -ala, -ula, -ella u.a. (vgl. Koch G. 2008, 108), getrennt werden können, zumal v. den GWP das Gen. nicht immer mitgeteilt wurde. Neuerdings plädiert G. Koch (ib.) in Anlehng. an Helmut Weiß (2005), dafür, auch die Gefäßbez. (GEFÄSS) zu den Instrumentalbildungen zu rechnen u. folgl. die mbair. Wörter "Kanndl", "Saggl", "Dragl", "Fassl" und "Flaschl" als "Känn-el", "Säck-el", "Träg-el", "Fäss-el" u. "Fläsch-el" in dieser Form zu lemmatisieren.- III. Lehnwort: Aus den angrenzenden u. überdachenden Sprachen haben die Winzer zahlr. Fachtermini entl. (vgl. z.B. Besse 2012b). Eine Reihe v. Wörtern wurde auch aus and. Fachspr. übernommen, z.B. aus der Fachspr. des Ackerbaus, der Milchwirtschaft, der Küfer od. der Maurer. Ein überaus gr. Anteil v. Lehn- u. Reliktwörtern findet sich vor allem in den Sachbereichen GEFÄSS (Besse 2010a) u. PRESSE (Besse 2010b; Post 2004). Andererseits sind auch eine Reihe v. Wörtern aus der dt. Winzersprache in and. Sprachen entl. worden, vgl. z.B. ung. hébér 'Weinheber' (Heber).- IV. Bildlichkeit: Auffallendes Kennzeichen der dt. Winzerfachsprache ist ihr Hang zur Anschaulichkeit u. die starke Metaphorisierg. Folg. Bez. v. menschl. Körperteilen - v. Kopf bis Fuß - sind in der Winzerspr. zu finden: Kopf (Haupt, Häupt, Köpflein, Schädel), Hirn, Haar (Härchen, Härlein I (kl. Haar), Auge (Äuglein), Ohr, Nase, Backen (Bäcklein), Maul, Bart, Zunge, Zahn (Zähnelein), Genack, Hals, Schulter, Achsel (Honalj, Uchse, Üchse, Üchsel, Üchslein), Arm, Hand (Händlein), Finger, Daumen, Daume (Püsset (eigtl. 'Däumchen')), Herz (Herzlein), die Lungen = N eines Weinbergs, der wie eine Lunge aussieht (Heidendorf, RUMÄNIEN), Gerippe ('Rippe'), Geweide ('Eingeweide'), Bauch, Küsset ('kl. Hüfte'), Schenkel, Arsch = das stumpfe dicke Ende des Rebstocks (PfälzWB 1, 335), Bein, Knie, Sohle, Fuß (Füßlein), außerdem Blut I (Saft) u. Haut (Häutlein), Knorpel, Leib, Träne (Zähre). Auch Verwandtschaftbez. werden bemüht, z.B. Altvater, Enkel (unsicher), Bäsigotte, Geschwister (Wolff 1967, 85), Großmutter, Großvater, Kindlein, Mutter I (Mutter, Schraube), Nachkomme, Oma, Sohn (Söhnlein), Stiefkind, Töchterlein, u. Vater. Bez. v. tierischen Körperteilen werden ebenfalls gerne übertr. verwendet, z.B. Eselsohr, Feder, Flügel, Pelz, Schnabel, Schwanz. Zu der Übertr. v. Tierbez. (z.B. Bock) auf Geräte u. Gefäße s. die Art. TIER u. PRESSE. Wurden beim REBSCHNITT die Triebe zu lang angeschnitten, so sagte man in Stäfa (ZÜRICH): "(es) könnte das Kalb dadurchspringen". Auch die zahlr. Winzerregeln (WINZERREGEL), Sprüche u. Redensarten, vor allem die Ausdr. für den 'sehr sauren Wein', zeichnen sich durch gr. Bildlichkeit aus (Hemd, Herrgott, Ulacker). Zu Sprüchen rund um den Wein s.a. Häseler-Schiller 1987. 1989; Muhr 1990; Reindl 1904, 123ff.; Ricek-Gerolding [1897], 50ff.; Ruthe 1926, 146ff.; Stettenheim 1894, 40ff.; Zuckriegl [ca. 1983].- V. Eigennamen: Der Weinbau hat auch zahlr. Spuren in Eigennamen hinterlassen, die hier jedoch nicht eingehend behandelt werden können, z.B. in FN, FlN (vgl. z.B. Schülin 1980a) u. Ortsnecknamen (Conder Österreicher für die Einwohner v. Cond (MOSEL), Rebstecken (Rebstecken, Reben-, -steck) für die Einwohner v. Bergholtz (ELSASS) u. Lansitzer Senkgrubenscheißer für die Einwohner v. Lansitz (POLEN) wegen der dort angebauten, als abführend geltenden Rebsorte Kleinitschker).-Lit.: Besse 2001ff.; Bohn [u.a.] 1936; Gollmick u.a. 1980, 330ff.; Fluck 1996; Hoffmann L. 1998; HSK 14/1 u. 14/2; Kleiber 1964ff.; Koch K.H. 1908, 8; Kalverkämper 1998a-1998c; Kleiber 1964ff.; Muhr 1990; Oswald/Beitl 1974, 744f.; Post 1982ff.; Rasch 1580/1981; Roelcke 2002. 2005; Steffens 1997ff.; Witte H. 1987.- M.B.

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